Bürgerwindparks: Etikettenschwindel?

Firmen tarnen sich als Bürgergesellschaften

Bürgergesellschaften haben bei der ersten Versteigerung von Windparks abgeräumt. Doch hinter ihnen stecken meist professionelle Unternehmen. Das Parlament geht nun halbherzig dagegen vor. Lesen Sie bei Spiegel Online

Wenn es ums Geld geht…

Lesen Sie folgenden Artikel, den Michael Haueis für die Bürgerinitiative Pro-Schurwald verfasst hat: 

Windkraft-Profis sichern sich fette Beute  –  Bürgerwindprojekte mit Billig-Vergütung abgespeist

Das EEG (Erneuerbare Energien Gesetz) wurde überarbeitet und auf das Ausschreibungsverfahren umgestellt. Am 01.05.2017 fand die erste Ausschreibung statt. Die Überraschung war groß, dass entgegen aller Kassandrarufe der Windkraftlobby, 93 % der Zuschläge an Bürgerenergiegesellschaften gingen. Nun wird bereits eine erneute Novellierung des EEG gefordert; dabei wollten doch alle die „Energiewende aus Bürgerhand“   –   so viel Bürgerbeteiligung scheint nun aber auch wieder nicht recht zu sein.

 Allerdings sind die professionellen Windkraftprojektierer an ihrer „Misere“ selbst schuld, denn sie haben sich an der Ausschreibung (fast) gar nicht beteiligt. Warum stellt niemand die Fragen nach dem WARUM ?

 Vielleicht sind die großen Gewinner von heute die Verlierer von morgen. Während sich die Bürgerenergiegesellschaften nun mit einer Vergütung von 5,78 ct/kWh  begnügen müssen, haben sich die professionellen Windkraftbetreiber weiterhin  8,50 ct/kWh  –  also 50% mehr gesichert !

Südlich der Mainlinie bekamen nur wenige Windkraftprojekte den Zuschlag. Trotz eines  „Subventions-Doping“ von 63% konnte in Baden-Württemberg kein Projekt ein wettbewerbsfähiges Gebot abgeben. Dies bestätigt: Baden-Württemberg ist  KEIN Windkraftland ! Hier entstehen nur Windkraft-Friedhöfe  –  und darauf sind nicht viele bereit zu bieten.

 Nach einer kritischen Analyse kommt man noch zu ganz anderen Schlussfolgerungen aus dem EEG 2017:

  1. EEG 2017

Zum 01.01.2017 wurde das EEG überarbeitet und die Vergütung für Erneuerbare Energien wurden auf das Ausschreibungsverfahren umgestellt (EEG 2017).

Windkraftbetreiber müssen nun ein Gebot für die gewünschte Vergütung je kWh bei der Bundesnetzagentur abgeben, wobei die niedrigsten Gebote zuerst den Zuschlag erhalten, bis das festgesetzte Ausschreibungsvolumen erreicht ist.

Die Angebots- / Zuschlagswerte beziehen sich auf den 100% Referenzertragswert  (Windhöffigkeit 6,45 m / sec. in 100 Meter über Grund). Für die Gebote wurde ein Höchstwert von 7,0 ct/kWh festgelegt (2017).

Die tatsächliche Vergütung hängt aber von der Standortgüte ab. So erhalten Windkraftanlagen an Standorten mit schlechten Windverhältnissen eine um bis zu 29% höhere Vergütung; bei guten Windverhältnissen wird die Vergütung um bis zu 21% reduziert (Referenzertragsmodell). Dies bedeutet, dass die subventionierte Vergütung nun bis zu 9,03 ct/kWh betragen kann.

Die Abnahme jeder erzeugten Strommenge zu der einmal festgelegten Vergütung (korrigierter Zuschlagswert) wird für 20 Jahre garantiert, es besteht für die Windkraftbetreiber also kein Marktrisiko (Absatz- und Preisgarantie). Dies bleibt Planwirtschaft, auch wenn die Vergütung durch eine Auktion bestimmt wurde.

Nach der bisherigen Regelung (EEG 2014) konnte  an Standorten mit schlechten Windverhältnissen die  Anfangsvergütung von 8,50 ct/kWh (5 Jahre) auf den Gesamtzeitraum von 20 Jahren ausgedehnt werden.

Dies bedeutet, dass sich beim EEG 2017 die subventionierte Vergütung für Windkraftanlagen an Standorten mit schlechten Windverhältnissen – wie dies in Baden-Württemberg die Regel ist – um 6,2% erhöhen könnte.

Beispiel: Bei einer Vergütung von 9,03 ct/kWh und bei einem Strombörsenpreis von 2,68 ct/kWh würde die Subvention – verniedlichend „Marktprämie“ genannt – 6,35 ct/kWh betragen, also das fast 2,5-fache des eigentlichen Marktpreises.

Auch weiterhin erhalten Windkraftbetreiber eine „Entschädigung“ für Strom, den sie netzbedingt nicht einspeisen dürfen. Die Stromkunden müssen also weiterhin für nicht benötigten und nicht gelieferten Windstrom bezahlen. Die Kosten hierfür belaufen sich auf über 1 Mrd. Euro / a.

Neu ist, dass Bieter nun zwei TR6-konforme Windgutachten vorlegen müssen.

  1. Erste Ausschreibung Mai 2017

Für Windkraft an Land wurde ein Ausbaukorridor von 2.800 MW/a (installierte Leistung) festgelegt, dies entspricht ca. 900 Windkraftanlagen pro Jahr; zum ersten Gebotstermin 01.05.2017 wurden 800 MW ausgeschrieben.

Zu dieser Ausschreibung wurden 256 Gebote mit einem Volumen von 2.137 MW abgegeben; 169 Gebote (70%) stammten von Bürgerenergiegesellschaften und nur 87 (30%) Gebote von professionellen Windkraftprojektierern.

Den Zuschlag erhielten 70 Gebote mit einem Gesamtumfang von 807 MW; davon 65 (93%) von Bürgerenergiegesellschaften und nur 5 (7%) von professionellen Windkraftprojektierern. Nur diese 5 Gebote bilden aber den Preis, da die Bürgerenergiegesellschaften den höchsten Zuschlagswert erhalten (Einheitspreisverfahren).

Der Zuschlagswert liegt zwischen 4,20 ct/kWh – 5,78 ct/kWh  (100% Referenzertragswert); der durchschnittliche Zuschlagswert liegt bei 5,71 ct/kWh.

Über 2/3 der Zuschläge gingen nach Niedersachsen, Brandenburg und Schleswig-Holstein; die Gebote aus Baden-Württemberg (EnBW, Solarcomplex) erhielten keinen Zuschlag. Dies war so zu erwarten, denn in Baden-Württemberg werden selten 70% des Referenzertrages erreicht – Baden-Württemberg ist eben KEIN WINDKRAFTLAND !

 Bürgerenergiegesellschaften haben Privilegien im Auktionsverfahren: ihre Vergütung erfolgt auf Basis des höchsten Zuschlagswertes (nicht dem individuellen Gebotswert), sie benötigen zur Auktion noch keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung und die Frist für die Inbetriebnahme ist verlängert. 95% der jetzt bezuschlagten Bürgerenergieprojekte haben noch keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung.

https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/ErneuerbareEnergien/Ausschreibungen/Wind_Onshore/Gebotstermin_01_05_2017/Gebotstermin_01_05_17_node.html

Die professionellen Windkraftprojektierer haben sich bei dieser ersten Ausschreibungsrunde zurückgehalten; sie haben sich ganz offensichtlich die Genehmigungen für ihre Windkraftprojekte noch vor dem 01. Januar 2017 besorgt. Der Bundesnetzagentur wurden zu diesem Stichtag Genehmigungen für 2.950 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 8.840 MW gemeldet, dies entspricht mehr als dem Dreifachen des jährliche Ausbaukorridors. In Baden-Württemberg erfolgten im Jahr 2016 von 198 Genehmigungen immerhin 117 im Dezember (60%).

https://www.welt.de/wirtschaft/article162094714/Zahl-der-Windraeder-soll-in-Deutschland-auf-30-220-steigen.html

Die Windkraft wird deshalb in den kommenden zwei Jahren (bis 31.12.2018)  – auch in Baden-Württemberg – boomen wie selten zuvor!

Für diese Windkraftanlagen erhalten die Betreiber  subventionierte Vergütungen  entsprechend den Regelungen des EEG 2014, d.h. für mindestens 5 Jahre und (an windschwachen Standorten) bis zu 20 Jahren die Anfangsvergütung von 8,50 ct/kWh  –  dies sind 150% des Zuschlagswertes den jetzt die Bürgerenergiegesellschaften erhalten !!!

Da die Billig-Gebote der Bürgergesellschaften nun aus dem Markt sind, ist bei den nächsten Ausschreibungsterminen (01. August, 01. November) mit höheren Zuschlagswerten zu rechnen. An diesen Ausschreibungen dürfte der Anteil professioneller Investoren deutlich höher sein. Auch Projekte aus Baden-Württemberg könnten dann einen Zuschlag bekommen.

In Baden-Württemberg erreichen Windkraftanlagen i.d.R. weniger als 70% des Referenzertrages – im Schurwald ca. 65% des Referenzertrages. Diese können somit die Höchstvergütung von 9,03 ct/kWh erhalten, (wenn sie den Zuschlag bekommen).

  1. Folgen für die Stromkunden

Die EEG-Subventionen verursachen jährliche Kosten von ca. 24 Mrd. Euro/a. Dies entspricht ca. 1% des deutschen Bruttosozialproduktes oder 7% des Bundeshaushaltes; für Bildung oder Gesundheit gibt der Bund weniger Geld aus. Auf 20 Jahre gerechnet sind dies 480 Mrd. Euro –  also fast eine halbe Billion Euro (für Photovoltaik, Wind und Biomasse).

Seit 2009 hat sich die EEG-Umlage mehr als verdreifacht, allerdings ist der CO2-Ausstoß gleich geblieben. Der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung beträgt 29%.

Diese Kosten sind in erster Linie von den Privathaushalten und dem Mittelstand aufzubringen; energieintensive Industriebetriebe sind hiervon befreit.

Im Jahr 2016 lag der durchschnittliche Strompreis für Privathaushalte  bei 28,73 ct/kWh; bei einem Jahresverbrauch von 5.000 kWh sind dies 1.440 Euro/a. Davon entfallen aber nur 6,15 ct/kWh (21%) auf die Ware Strom (310 Euro/a). Die restlichen 79% sind Umlagen, Abgaben und Steuern (1.130 Euro/a).

Für Industrieunternehmen liegt der durchschnittliche Strompreis übrigens bei 15,04 ct/kWh.

Innerhalb der EU hat Deutschland nach Dänemark die höchsten Strompreise; sie liegen 42% über dem EU-Durchschnitt. Weitere erhebliche Kostensteigerungen sind durch den Netz- und Speicherausbau und die „intelligenten Netze“ (Smart Grid) zu erwarten.

  1. Schlussfolgerungen
  • Die erste Ausschreibung im Mai 2017 ist nicht repräsentativ (nur 5 preisbildende Gebote). Eine qualifizierte Bewertung der Auswirkungen des EEG 2017 ist erst nach Leerung der Projektpipeline von 8.840 MW nach 2018 möglich. Bei den nächsten Ausschreibungsterminen ist mit höheren Zuschlagswerten zu rechnen.
  • 95% der Bürgerwindprojekte haben noch keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Wie viele davon realisiert werden, wird erst Ende 2021 klar (54 Monate Realisierungsfrist). Allerdings kann man von einer hohen Realisierungsquote ausgehen, da bei einer Nicht-Realisierung die Sicherheitsleistung verfällt und auch die Projektkosten umsonst wären.Die Erteilung der Genehmigung wird offensichtlich nicht als Risiko oder Hürde, sondern eher als Formalie gesehen; die Prüfungen durch die Genehmigungsbehörden sind wohl nicht sehr streng. Siehe fehlerhafte Artenschutzgutachten:
    https://baden-wuerttemberg.nabu.de/news/2017/maerz/22168.html
  • Professionelle Windkraftprojektierer haben sich die um 50% höhere Anfangsvergütung nach dem EEG 2014 gesichert; Bürgerenergiegesellschaften werden mit Billig-Zuschlägen abgespeist. Hierfür sind die Gesellschaften zwar selbst verantwortlich, trotzdem dürfte dies der Akzeptanz der Energiewende schaden.
  • Bereits jetzt kann festgestellt werden, dass die Ziele des EEG 2017 für Windenergie an Land: Senkung der Ausbaugeschwindigkeit, Kostendämpfung und Netzentlastung, vorerst nicht erreicht, sondern durch Vorzieheffekte (Projektpipeline 8.840 MW) sogar konterkariert werden.
  • Es ist volkswirtschaftlich Unsinn für windschwache und damit ungeeignete Standorte erhöhte Subventionen zu zahlen. Dies macht die Energiewende unnötig teuer!
    Im Sport wäre dies kriminelles Doping. Bei einem Sprintwettbewerb erhalten leistungsschwächere Sportler auch keinen Vorsprung; bei der Windkraft sollen dies aber faire Wettbewerbsbedingungen sein.
  • Bei der ersten Ausschreibung hat kein Projekt aus Baden-Württemberg einen Zuschlag erhalten, obwohl hier die Vergütung durch Zusatz-Subventionen um bis zu 63% gegenüber norddeutschen Standorten aufgestockt wird (Referenzertragsmodell). Dies bestätigt, Baden-Württemberg ist KEIN WINDKRAFTLAND !

Für eine Entwarnung ist es jedoch zu früh ! Da bei zukünftigen Ausschreibungen mit höheren Zuschlagswerten zu rechnen ist, könnten auch Projekte aus Baden-Württemberg einen Zuschlag erhalten. Gebote um 6,00 ct/kWh erscheinen realistisch und führen zu einer Vergütung von 7,74 ct/kWh.

Da hier Unternehmen der öffentlichen Hand, wie die EnBW und kommunale Energieversorger, sehr aktiv sind, könnten Projekte aus politischen / ideologischen Gründen – auch bei zweifelhafter Wirtschaftlichkeit – realisiert werden.

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/energiepolitik/kommentar-die-seewind-sensation-14971383.html

  • An guten Windkraftstandorten an Land wird Windstrom bereits heute für 2,7 ct/kWh bis 3,4 ct/kWh (Vollkosten) erzeugt. Laut Agora-Energiewende zählt Windstrom zu den „günstigsten Energieträgern“ überhaupt. Auch hier stellt sich die Frage, warum der günstigste Energieträger subventioniert wird?
    https://www.agora-energiewende.de/de/presse/agoranews/news-detail/news/windstrom-an-land-wird-zum-kostenbrecher/News/detail/
  • Die Energiewende und vor allem der Ausbau der Windkraft ist in erster Linie ein Geschäftsmodell.
    Die Windkraftindustrie und Landverpächter (z.B. ForstBW) verdienen, Landschaft und Natur werden zerstört und die Menschen zahlen, sei es als Anwohner, Stromkunden, Steuerzahler oder Mitglieder unwirtschaftlicher Bürgerenergiegesellschaften.
  • Die einzig sinnvolle Weiterentwicklung des EEG ist seine Abschaffung!
    Die frei werdenden Gelder würden die Kaufkraft der Menschen erhöhen, oder könnten in Bildung und Infrastruktur investiert werden.

Michael Haueis

 

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